Gebärdensprache und
Kommunikation Gehörloser
Foto: UHH, IDGS, Goldschmidt
1. Juli 2023
Foto: IDGS
Werden Gebärden aus einem bestimmten semantischen Bereich häufiger an einer bestimmten Körperstelle gebärdet? Also werden zum Beispiel Gebärden mit Bezug zu Kognition öfter am Kopf ausgeführt? Und Gebärden zum Thema Sehen öfter an den Augen?
Diese Fragen haben Sarah Schwarzenberg und Annika Herrmann für die Deutsche Gebärdensprache untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie sowohl bei der FEAST-Konferenz im Juni 2023 vorgestellt, als auch in einem Artikel veröffentlicht.
Vergangenen Juni 2023 haben Annika Herrmann und ich, Sarah Schwarzenberg, bei der Konferenz FEAST einen Vortrag gehalten. Im Dezember 2023 haben wir den Artikel dazu veröffentlicht. Jetzt möchten wir gern eine Zusammenfassung in DGS geben.
Wir haben die Frage untersucht, ob es eine Beziehung zwischen einem semantischen Bereich und der Lokation einer Gebärde gibt. Zum Beispiel, ob Gebärden im semantischen Bereich Kognition am Kopf ausgeführt werden, oder ob Gebärden im semantischen Bereich visuelle Perzeption an den Augen ausgeführt werden.
Forschung zu anderen Gebärdensprachen zeigt, dass es diese Beziehung für bestimmte semantsiche Bereiche gibt, zum Beispiel werden Gebärden im semantischen Bereich Kognition häufiger am Kopf ausgeführt, Gebärden im semantischen Bereich Emotion häufiger am Herzen. Diese Beziehung ist hoch ikonisch. Wir möchten dies für DGS untersuchen.
Um diese Beziehung zwischen einem semantischen Bereich und einer Lokation zu untersuchen, haben wir für beide Bereiche Lexeme gesammelt. Dafür haben wir verschiedene Ressourcen genutzt, wie zum Beispiel Wörterbücher, Online-Quellen und Forschung zu anderen Gebärdensprachen. Nachdem die Lexeme gesammelt wurden war es wichtig zu prüfen, dass der semantische Bereich korrekt zugeordnet wurde. Dies wurde mit GermaNet überprüft. In GermaNet können Wörter gesucht werden, um verschiedene Informationen zu erhalten, zum Beispiel zum semantischen Bereich. Somit konnten wir die Einheitlichkeit überprüfen. Dadurch haben wir zwei Listen erhalten. Die Liste im semantischen Bereich Kognition umfasst 45 Gebärden, die Liste im semantischen Bereich visuelle Perzeption 55 Gebärden. Diese deutschen Lexeme wurden im nächsten Schritt im DGS Korpus gesucht. Im semantischen Bereich Kognition konnten wir 90 Gebärden finden, im semantischen Bereich visuelle Perzeption 40 Gebärden. Anschließend notierten wir die Lokationen der Gebärden und werteten diese aus.
Im semantischen Bereich Kognition stellten wir fest, dass mit 42% die Stirn die häufigste Lokation ist. Die zweithäufigste ist der neutrale Gebärdenraum, als drittes folgt die Lokation Kopf. Werden alle Lokationen am und um den Kopf zusammengefasst, also die Sitrn, die Nase, der Kopf, etc., stellten wir fest, dass 66% der Gebärden am Kopf ausgeführt werden.
Für den Bereich der visuellen Perzeption sind die häufigsten Lokationen die Augen und der neutrale Gebärdenraum mit je 20%. Als zweites folgen Kopf und Nase. Werden alle Lokationen nahe der Augen zusammengefasst, also die Augen, die Nase, die Wangen, so stellten wir fest, dass 43% aller Gebärden in der oberen Gesichtshälfte ausgeführt werden.
Wie auch für andere Gebärdensprachen beschrieben ist die Beziehung zwischen dem semantischen Bereich Kognition und der Lokation Kopf in DGS stark. Allerdings ist die Beziehung zwischen dem semantischen Bereich visuelle Perzeption und der Lokation Augen schwächer. Die Beziehung kann gesehen werden, allerdings weitet sie sich eher auf die obere Gesichtshälfte aus. Eine Erklärung für die schwächere Beziehung könnte sein, dass beim Gebärden die Augen nicht blockiert werden sollten, weshalb Gebärden etwas weiter unten ausgeführt werden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Lokation in Gebärden sehr ikonisch sein kann.