Gebärdensprache und
Kommunikation Gehörloser
Foto: UHH/Denstorf
8. August 2024
Vom 06. bis 08. August fand an der University of Michigan die Konferenz FEAST (Formal and Experimental Advances in Sign Language Theory) statt. Vom IDGS waren Prof. Dr. Liona Paulus und Janika Thies als Teilnehmerinnen vor Ort.
Hier ihre persönlichen Eindrücke:
Janika Stille: "Ich habe u.A. den Vortrag von Lorna Quandt gesehen, der mir sehr gefallen hat. Sie forscht an der Gallaudet University und behandelte in ihrem Vortrag das Thema Raumwahrnehmung und Raumverarbeitung. Um dies zu untersuchen, führte sie eine Vergleichsstudie mit einer Gruppe tauber Personen und einer Gruppe hörender Personen durch. Alle Teilnehmenden waren gebärdensprachkompetent. Die Ergebnisse fand ich überaus interessant: Wer bereits von früher Kindheit an eine Gebärdensprache erlernt hatte, hatte in Bezug auf die räumliche Wahrnehmung gegenüber den anderen Teilnehmenden einen enormen Vorsprung. Dies wurde anhand von vielen Ergebnissen deutlich. Zum Abschluss stellte sie diesen Vorsprung als klaren Vorteil dar, den sog. „Sign Language Gain“, den Menschen mit einem frühen Gebärdenspracherwerb genießen. Dieses schöne Fazit wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.“
Liona Paulus: „Ich habe mir u.A. die Posterpräsentation von Kraus, Gagne et al. von der Gallaudet Universität angesehen: „The effect of iconic vs. arbitrary teaching strategies on hearing non-signers’ production accuracy and language attitudes“. Darin ging es um den Spracherwerb in ASL Es wurden die Unterschiede zwischen arbiträrem und ikonischem Videomaterial im Unterricht und deren Auswirkungen auf das Erlernen von Gebärdenzeichen dargestellt.
Methodisch wurde so vorgegangen, dass den Teilnehmenden der Studie ein Video in ASL gezeigt wurde, Z.B. die Gebärde COLD, die übrigens mit der Gebärde KALT in der DGS identisch ist.
Im Anschluss erfolgte im selben Video eine Erläuterung des ikonischen Gehalts des Gebärdenzeichens d.h. die Person im Video zeigte, wie sich ein Mensch ohne wärmende Kleidung verhält, die Arme dicht um den Oberkörper geschlungen, die Finger zu Fäusten geballt, die Schultern hochgezogen, zitternd, mit klappernden Zähnen.
In dem anderen Video wurde das gleiche Gebärdenzeichen gezeigt, allerdings ohne Bezug auf den ikonischen Gehalt zu nehmen. Stattdessen folgte eine rein formale Beschreibung der Gebärdenausführung, d.h welche Handform, Bewegung und Ausführungsstelle in der Gebärde zu beachten sind. Somit wurde hier das Gebärdenzeichen als arbiträr vermittelt.
Im ASL Kurs hat sich dann im Vergleich beider Gruppen gezeigt, dass die Teilnehmenden, die das Gebärdenzeichen als arbiträre Form kennengelernt hatten, bei der Reproduktion zwar eine exaktere Ausführung zeigten aber dennoch unsicher beim Gebärden wirkten. Bei den Teilnehmenden der anderen Gruppe hingegen war es genau anders herum: Sie führten die Gebärde zwar unsauberer aus, traten dafür aber sicher auf. Interessante Ergebnisse!"