Gebärdensprache und
Kommunikation Gehörloser
Foto: UHH/Denstorf
9. Dezember 2019
Foto: IDGS
*12. April 1949 † 05. Dezember 2019
Mit Bestürzung haben wir erfahren, dass Heiko Zienert für immer die Augen schloss. Wir sind in Gedanken bei seiner Familie und seinen Lieben.
Für sein Schaffen bei der Anerkennung und Erforschung der Deutsche Gebärdensprache (DGS) werden wir Heiko immer dankbar sein. Sein Beitrag hat ihn zu einer Ikone gemacht.
In tiefer Trauer
Das Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser
Prof. Dr. Annika Herrmann: Liebe alle, heute möchten wir im Namen aller Mitarbeiter:innen des IDGS, unser herzliches Beileid zum Tod von Heiko Zienert bekunden. Wir sind sehr betroffen, denn Heiko war Gründungsmitglied unseres Instituts, ohne ihn gäbe es das IDGS nicht. Heiko war damals im Team von Prof. Dr. Siegmund Prillwitz mit großem Engagement tätig und half bei der Gründung des Instituts kräftig mit. Es gibt vieles über Heiko zu berichten, das wird Stefan noch gleich erzählen. Wir sind Heiko gegenüber erfüllt mit Stolz und Dankbarkeit, insbesondere angesichts seines beachtlichen Lebenswerks. Unser herzliches Beileid geht nun an alle, die Heiko nahestanden: Verwandte, Freunde, Bekannte und die ganze Gebärdensprachgemeinschaft.
Stefan Goldschmidt: Auch ich bin Heiko Zienert gegenüber sehr dankbar für alles, was er uns gegeben hat. Unser Leben mit der DGS wurde durch sein Wirken auf einen guten Weg gebracht. Wir werden ihn immer in Erinnerung und in unserem Herzen behalten. Danke.
Nachruf auf Heiko Zienert ( *12. April 1949 † 05. Dezember 2019)
(von Stefan Goldschmidt, Lektor für DGS am IDGS)
(Stefan Goldschmidt hält ein Schwarz-Weiß-Foto mit Heiko Zienert in die Kamera, daneben das alte Logo der damaligen „Forschungsstelle Deutsche Gebärdensprache“, beides ist Teil einer gerahmten Collage mit dem Titel „Zur Erinnerung an den ersten Gebärdenkongress in Hamburg 9.-10.11.1985“.)
Wir vom Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser an der Universität Hamburg möchten hiermit unser aufrichtiges Beileid zum Tod von Heiko Zienert am 05.12.2019 ausdrücken. Dass Heiko nun nicht mehr unter uns weilt, erfüllt uns mit großer Trauer. Unser Beileid geht an alle, die Heiko nahestanden: Verwandte, Freunde, Bekannte.
Mit Bestürzung haben wir zu Beginn dieser Woche am IDGS die Nachricht von seinem Tod aufgenommen. Für uns alle und für das IDGS war Heiko eine sehr bedeutende Persönlichkeit. Wir haben ihm so Vieles zu verdanken in Bezug auf die Deutsche Gebärdensprache, dass ich gern einige Beispiele seines positiven Wirkens aufzählen möchte.
Ein Beispiel ist hier zu sehen (Stefan hält zwei runde weiße Aufkleber in die Kamera: Auf dem einen ist eine Teufelsfratze mit überlanger herausgestreckter Zunge zu sehen. Der andere Aufkleber zeigt eine Karikatur einer Absehübung: Links im Bild ein:e Schüler:in , eingezwängt in einem Pranger mit Stielaugen, davor ein dicker, glatzköpfiger Lehrer oder Arzt, der auf seine überlange Zunge zeigt, wie bestimmte Wörter auf dem Mund (oral) geformt werden. Auf beiden Aufklebern steht als Slogan geschrieben: „Nur Oral in GL-Schule? NEIN DANKE“ )
Diese Aufkleber hat Heiko um das Jahr 1985 selbst gezeichnet und sollten auf die Situation des Oralismus hinweisen. Zu dieser Zeit traf Heiko glücklicherweise auf Prof. Dr. Siegmund Prillwitz, der gemeinsam mit ihm, Regina Leven, Alexander von Meyenn und Wolfgang Schmidt regelmäßige Austauschrunden abhielt, und bald darauf die Forschungsstelle zur Deutschen Gebärdensprache gründete. (Stefan hält das Heft „Skizzen zu einer Grammatik der Deutschen Gebärdensprache“ von 1985 in die Kamera, auf der unten das Logo der Forschungsstelle abgebildet ist) In der Gruppe wurde ab 1982 sehr angeregt über die Gebärdensprache diskutiert, damals gab es den Begriff „Deutsche Gebärdensprache“ noch gar nicht! Davon war erst im November 1985 im Rahmen des ersten Kongresses zur Gebärdensprache die (Stefan hält eine Tagungsbroschüre des Kongresses „Die Gebärden in Erziehung und Bildung Gehörloser“, und dann wieder die Collage mit dem Titel „Zur Erinnerung an den ersten Gebärdenkongress in Hamburg 9.-10.11.1985 in die Kamera:) Hier in der Mitte, das ist Siegmund Prillwitz, rechts oben Alexander von Meyenn, rechts unten Heiko Zienert, Wolfgang Schmidt ist links unten abgebildet und darüber Regina Leven. Alle diese Personen waren in der Forschungsstelle für Gebärdensprache tätig und stellten während dieses Kongresses in Vorträgen ihre Forschungsergebnisse vor. Für viele Gehörlose im Publikum war dieser Kongress das erste Mal, dass sie Gehörlose auf der Bühne gebärden sahen! Und für mich ist dieser Kongress die Geburtsstunde der DGS, weil dort die „Skizzen zu einer Grammatik der Deutschen Gebärdensprache“ an die Anwesenden im Publikum verteilt wurden und darin (Stefan hält das Heft in die Kamera) stand schwarz auf weiß geschrieben, dass die Deutsche Gebärdensprache eine eigenständige Sprache war. Diese Erkenntnis war ein Meilenstein für ganz Deutschland und brachte den Stein ins Rollen: Man wusste ja, dass Gehörlose miteinander gebärdeten, aber dass das eine echte Sprache ist, hatte man vorher immer bezweifelt, Gehörlose wurden von oben herab betrachtet und ihre Gebärden verspottet. Nun hieß es: „Die DGS ist eine eigenständige Sprache“, eine Erkenntnis, die viele Gehörlose mit Stolz und Freude erfüllte und den weiteren Weg für die Gehörlosengemeinschaft ebnete. Heiko Zienert war nicht nur inhaltlich an der Mitarbeit der Forschungsstelle beteiligt, sondern auch als talentierter Zeichner, z.B. hier: (Stefan hält eine Abbildung aus den „Skizzen zu einer Grammatik der Deutschen Gebärdensprache“ in die Kamera: Sie zeigt mehrere Sequenzen von Gebärdenzeichnungen.) Da geht es um eine Fahrt in die Schweiz, über Berge und kurvenreiche Straßen. Man konnte anhand der Zeichnungen die Grammatik der DGS verstehen und es gab Erklärungen dazu, das war unheimlich eindrucksvoll und lieferte den Anstoß für die Entwicklung der Gehörlosenbewegung. Im Jahr 1987 wurde dann das IDGS gegründet, Heiko Zienert hielt damals die Eröffnungsrede und bekam die erste Lektorenstelle für DGS. Fortan war er bei Prof. Prillwitz für den DGS-Unterricht zuständig. Damals gab es noch keinerlei Gundlagen für die DGS-Lehre, keine Materialien, da gab es noch nichts! Darum machte er sich mit dem Team dazu Gedanken und entwickelte Lehr-und Lernmaterialien, wie z.B. die beiden Arbeitsbücher „Grundkurs Deutsche Gebärdensprache“ (hält beide Bücher in die Kamera), womit eine erste Grundlage in der DGS-Lehre geschaffen worden war. Heiko hat sich fortlaufend an der Entwicklung solcher Unterrichtsmaterialien beteiligt, und viele nachfolgenden DGS-Dozent:innen profitieren noch bis heute von diesen Materialien und loben die hohe Qualität der Inhalte. Darüber hinaus war Heiko auch an der Entwicklung der multimedialen DVD „Die Firma“ beteiligt, einem für die damalige Zeit brandneuen Format von Selbstlernmaterialien zur DGS. Und so hat Heiko auf vielfache Weise positive Entwicklungen angestoßen, z.B. mit dem Bundesverband der Gebärdensprachdozent:innen, er hat bei vielen Gelegenheiten die Kraft der Gebärdensprache betont. Ich möchte auch seine menschliche soziale Art, im Miteinander des Teams zu agieren und andere zu führen, hervorheben. Heute ist die Verwendung der DGS im Alltag schon eine Selbstverständlichkeit, aber rückblickend waren es Menschen wie Heiko Zienert und andere, die die entscheidenden Hebel für diese positive Entwicklung gestellt haben. Und nun ist Heiko nicht mehr da. Wir werden ihn sehr vermissen und die Erinnerung an ihn wachhalten. Herzlichen Dank für alles, lieber Heiko.