"Gottesdienst unter Hörenden"
Kindheitserinnerung: "Gottesdienst unter Hörenden" (Edmund Hollweck, 2012)
Übersetzung
Als ich mit 18 Jahren meine Führerscheinprüfung bestand, freute ich mich riesig. Als Fahranfänger hielt ich mich natürlich streng an die Verkehrsregeln, auch an die Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Zu dieser Zeit war ich an einem Tag auf einer Landstraße unterwegs. Die Straße war breit und verlief gerade über gut einsehbares Gelände, eigentlich hätte man dort ruhig Gas geben können. Aber schon tauchte ein „Tempo 80“-Schild auf, also hielt ich mich an die Vorschrift. Nach kurzer Zeit entdeckte ich im Rückspiegel einen Drängler an meiner Stoßstange. Der Fahrer war sehr genervt und blendete immer wieder auf. Wahrscheinlich hat er auch gehupt, aber das habe ich ja nicht gehört. Wegen des Gegenverkehrs hatte er keine Chance, mich zu überholen. Ich ließ mich aber nicht unter Druck setzen und behielt mein Tempo bei. Kurze Zeit später musste ich noch weiter abbremsen, auf erlaubte 60 km/h. Der Fahrer hinter mir flippte nun völlig aus und gestikulierte wild herum. Dann kam eine rote Ampel und ich sah im Rückspiegel, wie er hinter seinem Steuer weiter wütete. Ich blieb äußerlich cool aber innerlich war ich auch schon am Kochen! Da hatte ich eine Idee und legte den Schwerbehindertenausweis auf meinen Beifahrersitz. Die Ampel wurde grün und mein Hintermann zog mit Vollgas an mir vorbei. Als wir auf gleicher Höhe waren, hielt ich mit strenger Miene meinen Schwerbehindertenausweis ans Fenster. Daraufhin erschrak er, stieg auf die Bremse und scherte in angemessenem Abstand wieder hinter mir ein. Ich zeigte ihm im Rückspiegel noch den mahnenden Zeigefinger.
Kilometerlang blieb er brav hinter mir, obwohl andere Fahrzeige uns beide überholten.
Vielleicht dachte er, ich sei bei der Kripo! Denn der Schwerbehindertenausweis ist auch grün und hat ein Foto, ähnlich wie der Ausweis der Kriminalbeamten.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei