Erfahrungsbericht: Taube Eltern
Was es für mich bedeutet, taube Eltern zu haben (Daniel Rose, 2012)
Übersetzung
Das ist eine gute Frage. Ich empfinde meinen Eltern gegenüber viel Respekt und große Dankbarkeit. Vor allem verdanke ich Ihnen, dass sie mir die Gebärdensprache geschenkt haben. Sie ist ein fester Teil von mir. Das ist leider nicht bei allen CODAs so: Einige CODAs beherrschen die Gebärdensprache nur ansatzweise oder gar nicht. Andere wiederum haben Schwierigkeiten mit der Lautsprache und in manchen Familien mit CODAs gibt es gar kein funktionierendes Kommunikationssystem. Von diesen Problemen und anderen Schwierigkeiten im Umgang mit den tauben Eltern berichten insbesondere CODAs der älteren Generation, die 50 Jahre und älter sind.
In meiner Kindheit hatte ich auch große Probleme mit meinen Eltern. Mein Vater übte auf mich einen starken Druck aus, für ihn zu dolmetschen. Ständig sollte ich für ihn etwas schreiben oder telefonieren, das war irgendwann einfach zu viel für mich und der Grund, weshalb ich im frühen Alter von 15 Jahren von Zuhause auszog. Von da an wohnte ich allein. Meine Kindheit war deshalb wirklich hart.
Bei der Bundeswehr ging es mir dann immer besser. Vier Jahre hatte ich keinerlei Kontakt zu Gehörlosen, auch nicht zu meiner Familie. Aber ich brauchte diesen Abstand, um meine Identität zu finden. Ich hatte in dieser Zeit nur Kontakt zu Hörenden.
Nach vier Jahren begann ich dann aber, die Welt der Gehörlosen zu vermissen und ich nahm behutsam wieder Kontakt zu meinen Eltern auf, die heilfroh waren, dass ich sie endlich wiedersehen wollte.
Seitdem fühle ich mich richtig wohl. Dennoch waren diese vier Jahre „Auszeit“ von der Gehörlosengemeinschaft sehr wichtig für mich. Nur so konnte sich meine Identität und Reife entfalten. Meine Eltern leben noch und ich bin ihnen heute sehr dankbar dafür, dass sie mich in ihre Kultur geführt haben und mir die Gebärdensprache geschenkt haben. Als Kind konnte ich das überhaupt nicht wertschätzen, im Gegenteil: Veranstaltungen von Gehörlosen besuchen zu müssen war mir damals ein Graus!
Heute ist für mich die Gebärdensprache die schönste Sprache der Welt, ich habe sie quasi im Blut! Aber es brauchte eben seine Zeit, sie und die Gehörlosenkultur als einen Teil von mir anzuerkennen und schätzen zu lernen.
___
Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei