Erfahrungsbericht 1: Aufgaben als erster Vorsitzender
Meine Aufgaben als erster Vorsitzender des LV Bayern der Gehörlosen e.V. (Rudolf Gast, 2010)
Übersetzung
Ich bin 1966 zum ersten Mal in den Landesvorstand gewählt worden. Mein Vorgänger Gottfried Hock hatte mich geholt. Mir war damals nicht bewusst, was auf mich zukommt. Ich war Schatzmeister, hatte also die Einnahmen und Ausgaben zu verwalten, das fiel mir leicht. Doch im Laufe der Zeit merkte ich: Beim Landesverband Bayern fehlt noch so einiges. Vorher war ich schon Mitglied in einem Münchener Sportverein. Da Sport mein Hobby war, war ich in verschiedenen Sparten aktiv. Aber im sozialen Bereich gab es nur wenige Angebote für Gehörlose. 1965 war ich bei den Weltspielen der Gehörlosen in den Amerika, dort bekamen wir mit unserer Fußballmannschaft die Bronzemedaille für den 3.Platz. Während diesen Aufenthalts hatte ich auch die Gelegenheit, die Gallaudet-University zu besichtigen- die Situation dort hat mir die Augen geöffnet! Überall waren Gebärdensprachdolmetscher zu sehen. Und sie benutzten viel mehr das Fingeralphabet als die Dolmetscher in Deutschland. Beim Festabend kamen ca. 5000-7000 Menschen zusammen und alle 50 Meter stand ein Dolmetscher auf einem Stuhl und gebärdete in die Menge, für mich war das eine ganz neue Erfahrung! Zurück in Deutschland berichtete ich unserem Vorstandsvorsitzenden davon. Doch der sah keinen Handlungsbedarf in Deutschland, er sagte damals, es gäbe doch viele hörende Kinder gehörloser Eltern, die würden doch als Dolmetscher ausreichen.
Wir Gehörlosen mussten sehr lange darum kämpfen, dass uns die Hörenden mehr Anerkennung entgegen bringen. Als junger Mensch habe ich noch die Erfahrung machen müssen, von Hörenden als „Taubstumme“ verspottet zu werden. So etwas gibt es heute nicht mehr. Das verdanken wir zum einen unserer mühevollen Verbandsarbeit, regional und bundesweit, aber auch anderen wie z.B. den Elternvereinen und der „Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen e. V.“ Sie alle haben dazu beigetragen, dass es uns heute viel besser geht. Früher gab es z.B. im Deutschen Fernsehen noch keine Untertitel und auch kein „Sehen Statt Hören“, ganz zu schweigen von Gebärdensprachdolmetschern! Es war auch sehr schwierig für Gehörlose, einen Führerschein zu bekommen. Inzwischen hat es ein Umdenken in der Gesellschaft gegeben, auch durch die vielen Artikel in der Deutschen Gehörlosenzeitung. Die „Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Gehörlosen und Schwerhörigen e. V.“ hat auch immer für die gute Sache gekämpft. Das Ergebnis: Hörende Menschen bringen uns heute Respekt entgegen, das hat es früher nicht gegeben. Ein Beispiel: Heute werden wir von Regelschulen gefragt, wie hörende Kinder am Besten für das Thema Gehörlosigkeit sensibilisiert werden können. Wir stellen dann Informationsmaterial zur Verfügung. Die Aufklärung darüber, was es bedeutet, gehörlos zu sein, geschieht heute also oft schon im Kindesalter. Zusammenfassend kann ich sagen, dass sich unsere Gesamtsituation bis heute schon stark verbessert hat.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei