ICSD und Paralympics 1
International Committee of Sports for the Deaf (ICSD) und Paralympics I (Josef Willmerdinger, 2010)
Übersetzung
Häufig werden in Diskussionen zum Thema „Deaflympics“ auch die Paralympischen Spiele („Paralympics“) erwähnt. Die sportliche Abspaltung der Gehörlosen von den Paralympics ist eine längere Geschichte. Das olympische Komitee (IOC) hatte schon vor langer Zeit taube Sportler dazu aufgerufen, sich an den Paralympics zu beteiligen statt eine eigene Olympiade duchzuführen. Die tauben Sportler und Funktionäre akzeptierten die Einladung mit einer gewissen Skepsis. Tatsächlich waren wir zehn Jahre Mitglied im paralympischen Verband und nahmen auch an Gesprächen mit dem Komitee der paralympischen Spiele teil. Wir waren erst sehr aufgeschlossen gegenüber den Paralympics. Allerdings herrschte dort nur wenig Bewusstsein und Verständnis gegenüber uns tauben Teilnehmern. Zum Beispiel waren bei den Mitgliederversammlungen und Gesprächsrunden keine Gebärdensprachdolmetscher anwesend! Als ich mich darüber beschwerte und erklärte, dass wir ohne Verdolmetschung viele wertvolle Informationen verpassen würden, bekam ich eine knappe Antwort: Ein Dolmetschservice sei nicht notwendig. Taube Teilnehmer könnten schließlich die ausliegenden Papiere und Aushänge lesen. Diese Mängel wurden auch in den folgenden Jahren nicht behoben. Unter diesen Umständen erschien mir eine langfristige Beteiligung an den Paralympics immer unwahrscheinlicher. Ich diskutierte mit Kollegen darüber, wie wir die Veranstalter von unseren Forderungen überzeugen könnten.
Ein weiterer Nachteil für uns war die Beschränkung der Wettkampfdisziplinen durch das Paralympics-Komitee. Wir hatten bei den Deaflympics immer um die 25 verschiedene Disziplinen, erlaubt waren bei den Paralympics aber nur 4-6, um die anderen Teilnehmergruppen (wie Blinde, Rollstuhlfahrer u.a.), die sich auch nur in so wenigen Disziplinen miteinander maßen, nicht zu benachteiligen. Das konnte ich nicht nachvollziehen! Seit 1924 hatten die Deaflympics ohne Unterbrechung mit hoher Beteiligung von Sportlern aus vielen verschiedenen Disziplinen stattgefunden. Daraufhin habe ich mit Kollegen einen Forderungskatalog erstellt und dem Paralympics-Komitee vorgelegt. Wir verlangten darin, für die Finanzierung und Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetschern zu sorgen und die Beschränkung der Disziplinen aufzuheben. Das Paralympics-Komitee lehnte unsere Forderungen jedoch ab. Das IOC, an das wir den Ablehnungsbescheid dann weiter leiteten, war darüber sehr überrascht. Dort wurde immer angenommen, die tauben Sportler würden die Paralympics ablehnen. Tatsächlich war es ja umgekehrt: Das Paralympische Komitee lehnte uns taube Sportler ab, weil wir ihnen wegen der Dolmetscherkosten zu teuer gewesen waren! Mit dieser neuen Information beschloss der IOC, die Deaflympics zu erhalten. Bis heute fanden die Deaflympics regelmäßig und unter großer Beteiligung statt: In 21 Sommerspielen und 16 Winterspielen nahmen taube Sportler aus aller Welt an den Wettkämpfen teil, ganz ohne Einschränkungen wie sie für uns bei den Paralympics entstanden wären.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei