Erfahrungsbericht 3: Flucht aus Königsberg
Flucht aus Königsberg (Dora Eichler, 2011)
Übersetzung
Ich stamme aus Königsberg in Ostpreußen, wo ich 1935 im Alter von siebeneinhalb Jahren zur Schule kam. 1943 wurde ich dort entlassen und begann eine Ausbildung. Nach knapp zwei Jahren musste ich sie jedoch abbrechen, weil wir nach Fischhausen in Ostpreußen fliehen mussten. Von dort wollten wir auf ein Schiff, jedoch rückten dort die Russen immer näher und wir flohen zurück nach Königsberg, um von dort mit einem Schiff in den Westen zu kommen. Mein Vater hörte sich nach einer Fluchtmöglichkeit um und wusste bald, wann ein Schiff ablegen würde. Zur Landungsbrücke war es ein Tagesmarsch und wir mussten eine Nacht unter einem Baum schlafen. Im Verlauf unserer Flucht kamen wir an ein Lager, wo wir auf dem Boden geschlafen haben, auf Stroh. Am Morgen kam ein Parteiangehöriger zum Lager, wir mussten aufräumen und fuhren weiter mit dem Auto zum Schiff , das war in Hela, einer Halbinsel. Wir wussten nicht ob es ein gutes Schiff war oder von schlechter Qualität. Meine Eltern konnten schwimmen, meine Tante war auch dabei. Mein Vater war dabei, weil er wehrmachtsuntauglich war. Das Schiff war dann aber überraschend groß. Wir mussten ganz hinunter in den Schiffsbauch, wo die Vorräte gestaut waren und es dementsprechend sehr kühl war. Dort habe ich mich dann ziemlich erkältet auf dem kalten Fußboden, wo wir geschlafen haben. Bald wurde das Licht gelöscht, und wir verbrachten die Nacht in völliger Dunkelheit. Am nächsten Morgen wurde das Licht wieder angeschaltet und meine Tante, die ja hörend war, erzählte uns, dass sie gehört hatte, dass ein anderes Schiff versenkt worden war. Unser Schiff konnte aber die Schiffbrüchigen nicht aufnehmen, denn wir waren ja auch schon mit 15.000 Menschen restlos überfüllt. Wir fuhren dann weiter in Richtung Kopenhagen, nach 2 Tagen, es war Ende April, hatte Deutschland seine Kapitulation erklärt. Wir wussten dann erstmal nicht, wohin. Meine Tante entschied aber, nicht dort zu bleiben sondern woanders hin zu gehen. Wir kamen dann in einer Schule unter, nach einem Jahr ging es dann weiter in den Norden nach Aalborg in Dänemark. Die Unterkunft war nicht so toll, mit vielen Wanzen in den Betten und das Essen war maßvoll und ging gerade so. Mein Vater wollte dann aber zurück nach Deutschland, er hatte von der Wehrmacht noch so einen Ausweis und ging zurück nach Deutschland, nach Itzehoe. Meine Mutter und ich hofften, dass wir ihm bald folgen durften und als er nach Hamburg ging, fuhren meine Mutter und ich auch dorthin, wo wir geblieben sind. 1951 heiratete ich dann meinen Mann, den ich noch aus Königsberg aus der Schule kannte, er war etwas älter als ich. In Hamburg haben wir uns dann wieder gesehen und niedergelassen.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei