Erfahrungsbericht 2: Bike Across America
Bike Across America 1992 (Stefan Goldschmidt, 2011)
Übersetzung
Hallo.
Ich möchte hier über meine Fahrradreise durch die USA, oder auf englisch: „Bike Across America“, erzählen.
Im Sommer 1992 habe ich mit einem Freund die USA per Fahrrad durchquert. Los ging es an der Ostküste, unser Ziel war der Pazifik. Wir brauchten zwei Monate für die 3300 Meilen, dass entspricht einer Distanz von 5300 km.
Warum ich das mit diesem Fahrrad, das auch jetzt hinter mir steht, gemacht habe?
Ich studierte zu der Zeit Soziologie an der Gallaudet Universität. Dort besuchte ich mehrere Vorträge von tauben Studierenden im höheren Semester, die von ihren „Bike Across America“-Touren berichteten. Ihre Erzählungen haben mich fasziniert: Was die alles erlebt hatten! Und das alles, obwohl sie taub waren! Meine Abenteuerlust war geweckt und ich wollte das auch mal probieren.
Ich fand bald einen Reisepartner, Kevin Clark, der aus Kansas City im Herzen der USA stammte. Wir wollten unsere Reise aber nicht einfach so machen, sondern einem guten Zweck zugute kommen lassen. Deshalb ging Kevin zum Regionalleiter von McDonalds in Kansas City und fragte, ob wir im Rahmen eines speziellen Projekts von McDonalds gesponsert werden könnten. Der Mann sagte sofort zu! Als Gegenleistung sollten wir auf unserer Fahrt Spenden für den Bau von „Ronald-Mc-Donald“-Häusern sammeln. Das sind Häuser in der Nähe von Krankenhäusern, in denen Familien von schwerkranken Kindern übernachten können, um in der Nähe ihrer Kinder sein zu können.
Wir fanden, dass unsere Fahrt nun einem sehr guten Zweck dienen konnte und bekamen noch einige Verhaltensregeln von McDonalds ausgehändigt: Zum Beispiel durften wir interessanterweise keine Kontakte zu Vertretern von Burger King, Pepsi oder anderen konkurrierenden Unternehmen aufnehmen.
Dann bereiteten wir alles für unser Abenteuer vor, die Fahrräder wurden ausgerüstet, es wurde eingekauft, gepackt und dann konnte es endlich losgehen. Ich studierte damals ja an der Ostküste, in Washington DC. Der Startpunkt sollte aber direkt am Atlantik liegen, daher begann die Reise etwas südlicher, in Newford. Wir schoben dort beide unsere Räder am Strand bis zum Wasser, sodass die Hinterreifen einmal vom Atlantik benetzt wurden, und dann ging es los!
Ich könnte nun viel erzählen, was wir in den kommenden zwei Monaten erlebt haben, aber ich möchte nur ein Ereignis herausgreifen, das für taube Menschen in einem besonderen Bezug steht: Auf der Hälfte der Strecke erreichten wir nach einem recht steilen, anstrengenden Gebirgsabschnitt Kansas City. Wir hatten im Vorfeld McDonalds unsere Route mit unseren Zwischenstopps mitgeteilt und hier fand ein Treffen mit unseren Sponsoren statt.
Alle saßen an einem großen Tisch und eine Dolmetscherin war auch anwesend. An der Wand hing eine Landkarte, auf der man mit Stecknadeln unseren bisherigen Streckenverlauf markiert hatte, das gefiel mir gut. Nach einer freundlichen Begrüßung und Erkundigungen nach den Strapazen der Reise kam der ernstere Teil und die Frage, wieviel Spendengeld wir denn bisher auf unserer Fahrt einwerben konnten. Wir gaben kleinlaut zu, dass wir auf der ersten Hälfte unserer Reise leider nur 400 Dollar einwerben konnten. Wir sagten, dass wir ja auch noch von LBC gesponsert werden würden, und der gesammelte Spendenbetrag für LBC auch noch in dem Betrag enthalten sei. Da entstand betretenes Schweigen am Tisch.
Aber was sollten wir machen? Wir schliefen meist draußen in der freien Natur oder bekamen auf der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit kostenlose Schlafplätze bei Feuerwehrleuten, Polizisten, in der Kirche und bei Privatleuten angeboten. Diese Leute konnten wir doch nicht auch noch um Geld bitten! Außerdem kamen wir auf unserer Strecke hauptsächlich durch Dörfer und dort war nicht viel zu holen. Dafür hatten unsere Sponsoren dann doch Verständnis.
Am nächsten Tag fand dann wie vereinbart eine Pressekonferenz statt. Das war eine typische amerikanische Show! Es gab ein Filmteam, und auf ein Kommando mussten Kevin und ich mit den Rädern die Straße entlang und unter einer Kette aus bunten Luftballons durchfahren. Viele Menschen jubelten uns dabei zu und hielten ein Spruchband mit der Aufschrift „Welcome Kevin & Stefan“. Dann stiegen wir von unseren Rädern und gingen in unseren Sponsoren-Shirts und mit unseren Helmen auf die Bühne, um von unserer Tour zu berichten. Dabei wurden wir von einer Gebärdensprachdolmetscherin übersetzt. Man lobte uns für unser „Grassrooting“, das wir betreiben würden, diesen Begriff kannte ich vorher nicht. Diplomatisch und elegant ausgedrückt, heißt es aber, dass wir nur recht wenig Geld gesammelt hatten. Wir wurden trotzdem gelobt und gefeiert, die Leute, darunter auch viele Kinder, kamen fröhlich zu uns und wollten eine Unterschrift und immer wieder erzählten wir von unseren Erlebnissen. Man hat uns dort richtig gut unterstützt.
Da wir von McDonalds gesponsert wurden, durften wir auch entlang unserer Strecke so oft wie wir wollten, umsonst bei McDonalds essen. Beim ersten Mal war das noch irre: Wir gingen zum Tresen, zeigten der Managerin unser spezielles Heft und dann konnten wir bestellen, was wir wollten und mussten wirklich keinen Cent bezahlen. Für jeden Besuch bei McDonalds gab es einen Stempel ins Heft und insgesamt waren wir in den zwei Monaten ca. 60 mal dort essen. Irgendwann hing es uns zum Hals heraus, aber oftmals war es auch auf weiter Flur die einzige Möglichkeit, etwas Essbares zu bekommen, schon verrückt! Wir haben aber auch woanders gegessen.
Nach Kansas City wurde die Landschaft sehr flach und daher zum Fahren schrecklich eintönig. Wir saßen ca. acht Stunden täglich auf dem Rad, als wäre das unsere Arbeit gewesen- um uns nur die weite Natur und auf dem Asphalt unsere Schatten. Kurz vor’ unserem Ziel mussten wir nochmal ein steileres Stück erklimmen, das war aber kein Problem für mich, denn ich war recht kräftig. Dann ging es bis Los Angeles fast nur noch bergab. In Santa Monica, L.A. schoben wir unsere Räder gerade noch rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang über den Strand und dippten unsere Vorderräder einmal in den Pazifik. Hurra, wir hatten es geschafft! Wir waren zwei Monate auf dem Fahrrad unterwegs gewesen, wir konnten es kaum glauben. Das war wirklich ein unvergesslich schöner Moment.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei