Anerkennung der DGS (1996 - 2002)
Kampf um Anerkennung der DGS - Teil 3 (1996 - 2002) (Stefan Goldschmidt, 2008)
Übersetzung
Nach der „Heidelberger Erklärung“ von 1996 konnte die Entwicklung zur Anerkennung der DGS mit vereinten Kräften vorangetrieben werden.
Gleichzeitig betrieb die Gehörlosengemeinschaft eine aktive interne und externe Information und Öffentlichkeitsarbeit u.a. mit den alle vier Jahre stattfindenden Kulturtagen und dem regelmäßig veranstalteten Berliner Gebärdensprachfestival. Eine weitere wertvolle Erfindung der Gehörlosengemeinschaft war das Kommunikationsforum, kurz „KoFo“. Die erste Veranstaltung dieser Art fand 1984 in München statt. Die Veranstaltungsart „KoFo“ bietet Gehörlosen eine offene Bühne des gebärdensprachlichen Austauschs zu ausgewählten Themen. Geladene gehörlose und hörende Fachleute informieren und diskutieren mit den Besuchern. Um die Verständigung zwischen Hörenden und Gehörlosen zu ermöglichen, werden seit der Gründung der KoFos qualifizierte Gebärdensprachdolmetscher eingesetzt. Diese hatten Anfang der 1990er Jahre gerade ihren Berufsstand aus der Taufe gehoben und konnten durch neu erlernte Techniken simultan zwischen Deutsch und DGS dolmetschen. Für Gehörlose öffneten sich dadurch schlagartig viele Türen und schon bald brach eine regelrechte KoFo-Welle über Deutschland herein. Bis heute werden in fast jeder größeren Stadt regelmäßig KoFos für Gehörlose angeboten.
Auch im Bereich Gehörlosentheater gab es neue Entwicklungen: Vor dem Hintergrund zahlreicher Neugründungen von Theatergruppen Gehörloser wurde in München zum ersten Mal das Deutsche Gehörlosentheater-Festival („DeGeTh“) veranstaltet, ein Wettbewerb verschiedener Theatergruppen Gehörloser, der einen weiteren Beitrag zum Selbstbewusstwerden Gehörloser darstellte.
Auch in der hörenden Mehrheitsgesellschaft rückte die Gebärdensprache und die Gehörlosengemeinschaft zunehmend ins Bewusstsein. Erstmals wurden Filme für ein Massenpublikum produziert, die sich inhaltlich mit Gehörlosigkeit beschäftigten, und tatsächlich bekamen viele Hörende ihren ersten Eindruck von Gebärdensprache und dem Leben Gehörloser durch Kinofilme, so z.B. durch den Kinofilm „Gottes vergessene Kinder“ aus dem Jahr 1986, sowie die deutsche Produktion „Jenseits der Stille“ aus dem Jahr 1996. Da beide Filme bei der Oscar-Verleihung eine Rolle spielten, geriet die Thematik zu Gehörlosigkeit und Gebärdensprache zunehmend in die Öffentlichkeit: Der Film „Gottes vergessene Kinder“ erhielt eine der begehrten Trophäen, „Jenseits der Stille“ wurde nominiert.
Seitdem ist die Gebärdensprache, die natürliche Sprache der Gehörlosen, auch immer häufiger im Fernsehen zu sehen, z.B. in Nachrichtensendungen, in denen Gebärdensprachdolmetscher eingeblendet werden, die die Inhalte für gehörlose Zuschauer simultan übersetzen.
Den politischen Höhepunkt bildete jedoch die erste gesetzliche Anerkennung der DGS im Jahr 2001. Seitdem ist das Recht auf ihre Verwendung im Bereich Rehabilitation im Sozialgesetzbuch SGB IX geregelt. Seitdem haben Gehörlose einen gesetzlichen Anspruch auf eine Begleitung durch einen Gebärdensprachdolmetscher in medizinischen Zusammenhängen, wie z.B. Arztbesuchen und Therapien.
Im Jahr 2002 wurde das Bundesgleichstellungsgesetz (BGG) verabschiedet, mit dem der linguistische Status der DGS als eigenständige Sprache anerkannt wurde. Dadurch erfuhr auch die Gebärdensprachlehre Anerkennung: Seit der Gründung der ersten Gebärdensprachkurse in den späten 1970er Jahren war das Angebot an DGS-Unterricht unübersichtlich. Es gab keine offizielle Qualifikation für Gebärdensprachkursleiter und die Kursinhalte überstiegen selten das Einsteigerniveau. Nun, da die Gebärdensprache wissenschaftlich und politisch anerkannt ist, und es immer mehr Hörende gibt, die diese Sprache lernen wollen, befindet sich die Gebärdensprachlehre im Aufwind. Wer heute einen Gebärdensprachkurs besucht, wird immer öfter von professionellen gehörlosen Gebärdensprachdozenten unterrichtet. Seit 2007 ist diese Berufsausbildung staatlich anerkannt und die Bezeichnung geschützt.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei