Wie ich Imkerin geworden bin
Wie ich Imkerin geworden bin (Meike Aldag, 2013)
Übersetzung
Damals hat mein Vater... Nein, anders. Früher, als ich sehr klein war, bin ich gemeinsam mit meinem Vater zu einem Freund von ihm gefahren. Er hatte einige kleine Bienenvölker. Ich sah dem Freund fasziniert beim Schleudern zu. Ich fand das alles so interessant, dass er mir einen Eimer mit Honig mit nach Hause gab. Ich füllte diesen in ein Glas um und beschmierte mir mein Brot mit dem frischen Honig. Es schmeckte jedes Mal himmlisch. Als das Glas leer war, sagte meine Mutter, dass das ja nicht schlimm sei und sie einfach einen neuen Honig kauft. Gesagt, getan. Ich schmierte mir den gekauften Honig aufs Brot und war entsetzt. Dieser Honig schmeckte überhaupt nicht. Ich habe protestiert und den anderen Honig vom Freund meines Vaters eingefordert. Meine Eltern blickten sich an und fügten sich. Irgendwann holten wir wieder den besagten Honig.
Nach einiger Zeit – da war ich immer noch klein - begann mein Vater, sich Gedanken darüber zu machen, ob er nicht selber auch Bienen züchten solle. Der erste Versuch klappte leider wegen Zeitmangel durch die Arbeit nicht und mein Vater gab auf.
Es ging ein wenig Zeit ins Land, bis mein Vater es erneut versuchte.
Bei einem der dort hinten stehenden Stöcke stach mich mal eine Biene ins Bein, so dass ich eine Weile humpelte. Meinem Vater tat das schrecklich leid und er gab deshalb und wegen Zeitmangels erneut auf.
Erst 1980 nahm er dann die Idee ernsthaft wieder auf. Er begann mit 4 Bienenvölkern. Ich habe mich sehr darüber gefreut und war stolz, weil mein Vater, der erste Vater einer Gehörlosen war, der Imker wurde. Und er schaffte es, 50 Gläser mit Honig zu befüllen - das war schon etwas Besonderes.
So ging es weiter. Ich habe meinem Vater immer gerne geholfen, zum Beispiel beim Waben abschaben, schleudern und abfüllen. Das ging so lange, bis ich in die Pubertät kam.
Mein Vater war wieder mal mit den Bienen in den Stöcken zugange, ich schaute interessiert zu, als mich unerwartet eine Biene in die Lippe stach. Die ist sofort monströs angeschwollen, so dass ich das Gefühl hatte, meine Lippe leiert aus und hängt nach unten runter wie ein Waschlappen. Mein Vater hat über mein Aussehen gelacht. Das hat mich sehr verletzt. Ach, ich weiß heute, dass man in der Pubertät ja so empfindlich ist. Egal, mich hat das damals sehr getroffen. Später trat ich auf eine Biene, die daher zustach. So hatte ich ein zweites Mal einen Stich diesmal am Fuß. Das hat so weh getan, dass ich laut schrie. Meine Mama hat sich um mich gekümmert und sich Sorgen gemacht. Mein Vater nicht. Er hat gelacht, also nicht ausgelacht, sondern es eher so heruntergespielt wie: naja, das passiert bei Bienen halt.
Das war seine Meinung. Meine Meinung war ganz anders. Ich habe von da an geblockt und habe wirklich nur noch ausschließlich beim Schleudern, Schaben und Abfüllen geholfen. Ich bin sonst überhaupt nicht mehr in die Nähe der Bienen gegangen. So war das eine ganze Zeit lang.
Mein Vater hat immer wieder versucht, mich zu überzeugen, hat insistiert, aber ohne Erfolg. Ich habe weiter alles abgeblockt.
Irgendwann habe ich eine Familie gegründet, sprich ich habe geheiratet und Kinder bekommen. All die Zeit hat mein Vater weiter gefragt, ob ich nicht wieder mehr mitmachen will und ich habe es immer weiter verneint.
Mein Vater war dann schon ein wenig verzweifelt und so kam er auf die Idee, mich zu fragen, ob ich wisse, was das alles wert sei. Die Honigschleuder, die Bienenvölker und Stöcke und alles was dazu gehört. Er erklärte mir, dass das alles zusammen einem Wert von ungefähr 10.000€ entspräche und ob ich das wirklich wisse und mir dies bewusst wäre.
Ich bejahte dies und sagte ihm, er solle doch die Zahlen alle mal aufschreiben, damit er weiß, was alles kostet, wenn er es verkauft. Das solle er mal ruhig tun.
Mein Vater war vom Misserfolg seiner Idee dann leicht frustriert. Er versuchte es noch 2-3 Jahre weiter und ich blockte weiter ab, bis mein Vater leider schwer erkrankte. Er wurde bettlägerig und verstarb 2006. Mh, ja okay, das war vor Weihnachten.
Mein Vater hatte zu dieser Zeit 24 Bienenvölker, was eine ganz schöne Menge ist.
Dort hinten standen vier Bienenstöcke, hier vorne welche und dann in Curslack, wo ich einmal irgendwann mit hingefahren bin, auch einige. Und ich wusste, es gibt irgendwo noch mehr Stöcke bei Reinbek, hatte aber keine Ahnung, wo genau.
Ich fragte meine Mutter, wo die anderen Bienenstöcke sein könnten und fuhr drauf los, sie zu suchen. Ich fand sie und wollte diese dann auflösen. Sie sollten aus dem Bestand raus. Ich hatte lange überlegt, ob ich die Arbeit fortführen soll, es waren ja sehr viele Sachen vorhanden und vieles aufzuräumen. Meine Güte! Ich recherchierte nach Preisen, um evtl. Dinge zu verkaufen. Das Ergebnis war zum Totlachen. Wenn´s hochkommt, hätte ich vielleicht 2000€ erwirtschaften können. Das konntest du echt vergessen! Ich habe mir wirklich viele Gedanken gemacht. Ich meine, erstens liebe ich Honig! Darauf verzichten konnte ich nicht. Zum zweiten - und darüber habe ich viel nachgedacht - war Mama nun alleine und was würde aus den Kundenkontakten und ihren Bestellungen und Käufen? Jetzt, nach Vaters Tod würde das alles wegfallen für sie. Alles auf null zu setzen, das konnte ich auch nicht.
Also grübelte ich weiter. Mir fiel ein dritter Punkt ein. Bienen sind wichtig für die Umwelt. Gänzlich ohne Bienen könnten wir nur ganze vier Jahre überleben. Das ist eine wahre Geschichte von Albert Einstein, du kennst sicher das bekannte Bild von ihm, wo er die Zunge rausstreckt! Er hat damals schon geschrieben, dass es ohne Bienen nicht geht und das ist mir sehr in Erinnerung geblieben.
Also mir war sehr bewusst, dass diese Bienen sehr wertvoll sind. Ich war hin und her gerissen.
Zufällig erinnerte ich mich dann an einen Freund, der Interesse hatte, mit mir zusammen etwas aufzubauen. Letztlich war das Abschaben und Schleudern ein Kinderspiel für mich - aber das Herausnehmen der Waben und die Arbeit am Stock war mir unbekannt.
Der Zufall wollte es dann so... Nein anders. Erstmal haben wir von den 24 Bienenstöcken 12 verkauft. Ein Imker, ein früherer Auszubildener meines Vaters, kam dann ins Spiel. Damals war er noch ziemlich jung. Ich glaube, er war zwischen 16 und 18 Jahre alt. Ich kannte ihn nicht, denn ich bekam es nicht wirklich mit, wenn mein Vater unterwegs war. Er war also einer, den mein Vater noch selber unterwiesen hatte und der machte nun den Kontakt zu dem Interessenten, der die 12 Stöcke kaufen wollte. Im gleichen Zug erklärte er sich bereit, mich beim Imkern zu unterweisen. Das war toll.
Ich habe also im ersten Schritt mit seiner Hilfe probiert, die hier verbliebenen 12 Stöcke zu versorgen. Zusätzlich kam noch der Bekannte von meinem Vater dazu, so dass wir drei zusammen uns gegenseitig helfen konnten. Wir machten das so drei Jahre lang, bis die erste Person absprang. Es verging wieder einige Zeit, bis auch die dritte Person aus unserer Zusammenarbeit ausstieg. Er wurde wieder selber aktiv. Die erste Person war schon lange immer selber sehr mit seinen eigenen Bienen beschäftigt.
Genauso wie ich es nun mittlerweile war. Es hatte angefangen, mir wirklich Spaß zu machen. Die Welt der Bienen ist wirklich wunderbar. Du musst dir mal überlegen, die Bienen können 24 Stunden täglich im Einsatz sein. Unermüdlich! Du benötigst Schlaf, da lachen die Bienen. Sie schlafen nicht im Sommer. Sie sind diese 6 Wochen unermüdlich im Einsatz, ehe sie dann sterben. Was sie in dieser Zeit alles ranholen.
Was glaubst du, wieviel man benötigt, um ein Glas Honig zu produzieren? Schafft eine Biene ein Glas? Die Biene muss eine Strecke zurücklegen, welche drei Erdumrundungen entspricht, damit das Glas voll werden kann.
Das muss man sich mal bewusst machen, ein Wunder. Das ist wirklich toll und wird von den Honigkonsumenten gar nicht realisiert.
Die Arbeit mit den Bienen lenkt mich auch vom Alltag ab. Es ist ein Hobby, welches ich gerne fortsetzen möchte. Es macht Spaß und das immer mehr! Meine Mutter ist stolz auf mich. Sie freut sich und sagt immer, dass mein Vater wahrscheinlich Freudentänze im Himmel vollführt. Immerhin hat er jahrelang darum gekämpft, dass ich wieder mitmache. Er wollte das unbedingt, aber ich wollte nicht. Und am Ende setze ich seine Arbeit doch fort. Mittlerweile schon im 7. Jahr! Ich mache wohl auch weiter. Dank gebührt auch dem Gehörlosenverband, der mich sehr unterstützt hat. Ich habe so zwei Dolmetscher:innen für Schulungen bekommen. Ohne diese finanzielle Unterstützung hätte ich es nicht geschafft, da solche Schulungen sehr kostspielig sind. So konnte ich sehr viel lernen und lerne auch heute noch dazu. Dadurch macht es eben auch noch mehr Spaß. In Zukunft wünsche ich mir noch, Kinder zu unterrichten und ihnen den Wert der Bienen für die Umwelt nahezubringen. Dieses Thema ist in der Gesellschaft noch nicht angekommen. Noch immer werden Bienen mit Wespen verwechselt. Ich schlage dann immer die Hände überm Kopf zusammen. Ich weiß, das ist normal... deshalb möchte ich gerne schon Kinder aufklären.
Und, wenn es irgendwann mal die Zeit erlaubt, möchte ich gerne Vorträge für interessierte Menschen halten, um zu berichten, was es so mit den Bienen auf sich hat. Ich glaube in den Schulen wird das Thema nicht genug behandelt. Hier möchte ich gerne meinen Beitrag leisten.
Und so kümmere ich mich seit 2006 am Wochenende um meine Bienen. Mama freut sich, weil sie nicht alleine ist, die Kunden, die ich treffe, freuen sich auch, dass die Tochter das Geschäft fortführt. Tja, und so läuft das bis heute. Das ist meine Geschichte.
Übersetzung aus der Deutschen Gebärdensprache (DGS) von Jutta Feuerle und Britta Harms.