Erfahrungsbericht 1: Mein Leben als Taubblinder
Mein Leben als Taubblinder (+Kommentar zur Kommunikation) (Stefan Goldschmidt & Franz Kupka, 2011)
Übersetzung
Stefan Goldschmidt: Ich möchte gern wissen, wie du deine Taubblindheit erlebst.
Franz Kupka: Früher war ich nur taub. Als ich dann mit der Zeit erblindete, brach für mich eine Welt zusammen. Ich hatte furchtbare Angst vor einem Leben in kompletter Dunkelheit und der damit verbundenen Hilflosigkeit. Das machte mir große Sorgen.
Meine Erblindung ist nun schon rund 30 Jahre her und am Anfang hatte ich große Schwierigkeiten.
Mein Vater brachte mir damals das Lormen bei und führte mich herum, wie ein Baby und wollte bestimmen, was für mich am Besten war. Das wollte ich aber nicht, ich wollte selbstständig bleiben, und wollte mir auch mein Selbstbewusstsein erhalten.
Ich traf dann in einer Selbsthilfegruppe andere Taubblinde, die aber nicht sehr selbstbewusst waren sondern eher Angst vor der fortschreitenden Blindheit oder ihren Familien hatten. Ich hatte aber keine Angst. Es war damals auch schwierig, Assistenz zu bekommen und mit dem Assistenten zu lernen, ich bin damals noch zur Universität gegangen, oder z.B. einen Lorm-Dolmetscher bei Arztbesuchen oder so zu bekommen.
Vor 7 Jahren habe ich dann Mona kennengelernt, die mich seitdem als persönliche Assistentin in meinem Alltag unterstützt. Sie lernte das Lormen, und begleitet mich überall hin, z.B. beim Einkaufen, zu Führungen, etc. Mona ist eine große Unterstützung für mich. Wir kochen auch gemeinsam.
Mona Winter zu Franz Kupka:
Ja, zusammen schmeckt es auch einfach besser! Wir beide unternehmen auch viel zusammen, gehen schwimmen, wandern u.v.m. Wir reisen auch viel gemeinsam und du bist dabei auch sehr selbstständig. Du schaffst wirklich alles!
Stefan Goldschmidt:
In dem Interview mit Franz Kupka konnten Sie zwei Aspekte beobachten: Zum einen, wie ich mit Herrn Kupka mittels abgefühlter Gebärden kommuniziere und zum anderen, wie ich dabei unmerklich seine Blindheit auszublenden scheine, da ich die gleichen visuellen Feedback-Signale gebe, die ich auch in Gesprächen mit gut sehenden Gehörlosen einsetze, z.B. mimisches Feedback, Kopfschütteln, sowie Kopfnicken. Erst hinterher ist mir aufgefallen, dass diese rein visuellen Signale bei Herrn Kupka aufgrund seiner Blindheit gar nicht ankommen. Man muss in der Kommunikation mit taubblinden Menschen also immer beachten, sämtliche Äußerungsabsichten allein über die Hände mitzuteilen, z.B. durch entsprechende Gebärden für „stimmt“, „ja“, „nein“, usw., die abgefühlt werden können. Genauso wenig wie mimische Elemente spielt auch das Mundbild in der Kommunikation mit Taubblinden keine Rolle. Begriffe, die unter gut sehenden Gehörlosen mit dem Mundbild verdeutlicht werden, müssen einer taubblinden Person mithilfe des Fingeralphabets in die Hand buchstabiert oder gelormt werden, um abgefühlt werden zu können. Sie können Ihren natürlichen Gebärdenstil aber ruhig beibehalten, denn nur dann kann Ihr taubblinder Gesprächspartner ihre Stimmung und ihren persönlichen Ausdruck wahrnehmen.
Ich möchte noch auf eine andere Szene im Film Bezug nehmen: Als sich Herr Kupka zum Ende des Interviews zu Mona drehte, und von ihr eine abgefühlte Äußerung empfing, bin ich kommentarlos aufgestanden und habe die Kameraeinstellung überprüft. Nach Monas Äußerung wandte sich Herr Kupka dann wieder zurück zu der Stelle, wo er mich noch vermutete, streckte seine Hände nach mir aus, fand mich dort jedoch nicht mehr vor. Da habe ich einen Fehler gemacht! Ich hätte ihm kurz Bescheid geben müssen, als ich aufstand und zur Kamera ging. Dann hätte er gewusst, wo ich mich aufhalte. Somit habe ich durch dieses Interview also auch noch einiges dazu gelernt!
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei