Konzeption des allerersten DGS-Kurses
Wie wir den allerersten DGS-Kurs konzipierten (Heiko Zienert, 2011)
Übersetzung
Nach den ersten Treffen mit Siegmund Prillwitz stellte Wolfgang Schmidt den Kontakt zu zwei Amerikanern her: Mike Kemp, gehörloser Dozent für ASL, und Dr. Andersson, hörender Linguist. Die beiden wurden bald darauf nach Hamburg eingeladen, um dort im Clubheim des Gehörlosenverbands einen Workshop zu geben.
Als ich Mike zum ersten Mal sah, guckten wir uns an und waren verblüfft, wie ähnlich wir uns waren: Wir waren beide gehörlos, rothaarig, trugen Brille und einen Vollbart und hatten eine Leidenschaft fürs Angeln! Ich lud ihn deshalb gleich zu mir nach Hause ein und wir verstanden und unterhielten uns prächtig.
Am nächsten Morgen fuhren wir in meinem Auto zusammen zum Workshop. Während ich fuhr, sah ich im Augenwinkel, wie Mike in seine Seminarunterlagen vertieft war und dabei mit einer Hand immer wieder kurze Selbstgespräche in ASL unter Einsatz des Fingeralphabets führte. Ich fragte ihn verwundert, warum er das mache. Er antwortete, dass er sich so seine Seminarinhalte besser einprägen könne. Das hat mich sehr beeindruckt!
Als wir im Clubheim ankamen, hatte sich bereits ein Team von der TV-Sendung „Sehen Statt Hören“ in Position gebracht, um das Geschehen zu filmen.
Die hörenden Teilnehmer saßen in einem großen Kreis. Dr. Harrison begann zunächst, die grammatischen Regeln der ASL zu erläutern, u.a. ging es um die sog. „Richtungsgebärden“. Er fragte mich, welche Richtungsgebärden es in der DGS gäbe. Nach kurzem Überlegen fiel mir das Gebärdenzeichen BESUCHEN ein. Dr. Harrison war begeistert und bald fielen mir noch weitere Beispiele ein, mit denen Dr. Anderson die Richtungsverben der DGS den hörenden Teilnehmern erklärte. Das war sehr aufregend für mich, denn ich erkannte auf einmal, dass die DGS auch eine grammatische Struktur hatte, die sich von der Deutschen Lautsprache sehr unterschied.
Dann unterrichtete Mike die Hörenden in „Nonverbaler Kommunikation“ (kurz: NVK). Das war einfach irre, zu beobachten!
Die Hörenden waren mit großer Begeisterung dabei, nur mit Gesten und Mimik miteinander und mit Mike zu kommunizieren-ein hervorragendes Unterrichtskonzept, das ich so bisher noch nie gesehen hatte. Genau so wollte ich auch die DGS vermitteln, als lebendige Sprache mit ausdrucksstarker Mimik, und nicht -wie in der Dolmetscherausbildung bisher- als „künstliche“ LBG.
Dieser Workshop war der entscheidende Anstoß für die Entwicklung eines Konzeptes für die ersten DGS-Kurse.
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Übersetzung: Britta Harms und Michaela Matthaei